Lieber Klaus-Peter,

du schreibst:

> Wodurch ist unser Geld gedeckt?
>
> Oder noch besser: Weshalb wird es (im Gegensatz zum Benidor oder zum
> Franz-Taler) allgemein akzeptiert?
>
> Meine Thesen hierzu:
>
> 1.) Geld hat seinen Wert dadurch, daß es ein "Erfüllungsmittel" im Sinne des
> § 362 BGB ist. Man kann (fast) beliebige Schuldverhältnisse damit zum
> "Erlöschen" (§ 362 BGB) bringen.
>
> 2.) Geld wird allgemein akzeptiert weil bzw wenn bzw soweit es hinreichend
> wertbeständig ist (also über hinreichend lange Zeiträume seinen Wert als
> "Erfüllungsmittel" (Kaufkraft) behält, die Inflationsrate also nicht zu hoch
> ist.
>
> 3.) Geld wird umso eher akzeptiert, je freier es konvertierbar ist, d h. je
> weniger Einschränkungen seine Benutzung (und Nichtbenutzung, also Hortung)
> unterliegt.

Dem meisten stimme ich zu. Eine Hortungsgebühr wäre allerdings keine
Einschränkung der Konvertibilität, noch wäre sie eine Einschränkung
seiner Benutzung. Es ist eine Gebühr, weiter nichts. So wie man z.B.
auch Kontoführungsgebühren (oder Steuern) ganz normal findet und diese
auch nichts an der Konvertibilität des Giralgeldes ändern.

> 4.) Die Einführung einer Hortungsgebühr stünde dem Geldwert bzw seiner
> Akzeptanz wegen (2)

Hierzu siehe oben.

> und (3) entgegen.

Das sehe ich nicht. Wieso sollte es zu Inflation kommen bzw. das Geld
seine Kaufkraft verlieren?

> 5.) Die Abschaffung des Zinses (bzw seine Senkung auf Null) würde das Geld
> entwerten, weil jeder sich Geld nach Herzenslust borgen könnte, um die von
> ihm bereits eingegangenen Schuldverhältnisse zu erfüllen. Das ist eigentlich
> ganz fürchterlich trivial, aber hier bei den NEWMONEYs gibt es offenbar
> immer noch genügend Leute, die glauben, man könnte in einer Welt ohne Zinsen
> leben. Ich fasse es nicht.
>
> Wenn ich aus der Zeitung erführe, daß der Zins Null wäre, würde ich sofort
> zur Bank gehen, mir ausreichend viel Geld borgen (für den Anfang vielleicht
> so 100 bis 200 Millionen Euro, oder so, zum Nulltarif natürlich) und noch am
> Nachmittag dieses Tages würde ich jede Menge Verträge mit ahnungslosen
> Leuten schließen, in denen ich vereinbaren würde, daß meine Vertragspartner
> mir Leistungen jeder erdenklichen Art erbringen. Ich würde sie gut dafür
> bezahlen. Ein prima Geschäft für alle.
>
> Am nächsten Tag würden meine Vertragspartner merken, daß sie das Geld - auch
> ohne Vertrag mit mir - zum Nulltarif von der Bank hätten haben können.
> Hoffentlich wäre dann mein Bunker schon fertig und die Privatpolizei schon
> aufmarschiert :-)

Du verwechselst den Zins mit der Schuldnerhaftung. Das ist sträflich,
weil dadurch dein ganzes Argument ins Leere geht: Als ob du heute zur
Bank gehen könntest und sagen: "Ok, Jungs, gebt mir 100 Millionen Euro,
ich zahle euch 200% Zinsen pro Jahr", und die würden dir dann soviel
Geld in die Hand drücken. Das glaubst du doch wohl selber nicht!

Die Schuldnerhaftung muss in jeder Form von funktionierender
Geldwirtschaft selbverständlich weiterhin bestehen bleiben. Hast du
keinerlei Sicherheiten zu bieten, dann wird es schwierig mit der
Geldbeschaffung, das hat dann nur wenig mit den Zinsen zu tun, die du zu
zahlen zu versprechen bereit bist. Auch Kredithaie (aus der
Schattenwirtschaft) können dir da nicht aushelfen. Die Verpfänden
nämlich faktisch dein Leben bzw. deine Gesundheit oder die deiner
Familie (deshalb sind sie ja auch illegal).

Die Kreditnachfrage wird also von der Menge der verfügbaren Sicherheiten
begrenzt. Auch eine gute Geschäftsidee kann als eine Art Sicherheit
betrachtet werden, wenn du glaubhaft machen kannst, dass sie Erfolg
haben wird. Außerdem ist natürlich bei Nullzinsen immer vom *reinen*
Zins die Rede, d.h. ohne Risikozuschlag, was du immer zu vergessen
scheinst. Und auch, dass es sich dabei um einen mittleren Wert handelt
(den Attraktor des dynamischen Systems) nicht aber um einen irgendwie
gesetzlich festgelegten Zwangswert ohne jede Schwankungsbreite.

Es gibt natürlich sachliche Gründe, warum in unserem heutigen Geldsystem
der Zins (solange alles gut geht) positiv ist. Das hat allerdings nichts
mit irgendwelchen angeblichen "Zeitpräferenzen" zu tun.

Erstens ist die Geldschöpfung an die Kreditvergabe gekoppelt: unser Geld
ist praktisch reines Kreditgeld. Um einer inflationären Kreditausweitung
und damit Geldschöpfung seitens der miteinander konkurrierenden
Geschäftsbanken vorzubeugen, muss diese Form der Geldschöpfung limitiert
werden, ohne aber andererseits die Kreditvergabe willkürlich zu
rationieren. Also wird die Geldschöpfung der Geschäftsbanken
umfangreichen Deckungsvorschriften unterworfen, die diese u.a. dazu
zwingen, sich Bargeld zu beschaffen. Dieses erhalten sie auf jeden Fall
von der Notenbank zu dem momentan festgelegten Zinssatz, der bei
steigender Nachfrage eben entsprechend angehoben wird. Die Konkurrenz
unter den Banken sorgt dann dafür, dass die Sparzinsen etwa auf dem
Niveau der Leitzinsen liegen und daher auch die Kreditzinsen (vermehrt
um Risikoaufschläge und Bereitstellungskosten und natürlich auch
gestaffelt nach Laufzeiten, genau wie bei den "Einlagen").

All dies erklärt aber noch nicht, warum (im Normalfall) die Zinsen echt
positiv sein müssen. Die Regelung könnte ja prinzipiell auch um Null
herum geschehen. Das geht jedoch nicht, weil die ganze Zinspolitik der
Notenbank unterhalb eines Zinses von etwa 2-3% in die Liquiditätsfalle
gerät, d.h. unwirksam wird und das liegt daran, dass der
Liquiditätsnutzen von Geld etwa bei diesen 2-3% liegt. Bei so niedrigen
Zinsen wird nämlich tatsächlich in großen Mengen Geld gehortet (wobei
egal ist, ob es sich um Bargeld oder Sichtguthaben handelt), wodurch die
Nachfrage nach Waren stagniert, wodurch dann auch die Investitions- also
auch die Verschuldungsbereitschaft sinkt. Dann kann auch eine noch
weitere Senkung des Zinssatzes bis auf Null herunter keine Vermehrung
der (gegen waren angebotenen, d.h. umlaufenden) Geldmenge mehr bewirken.

Typischerweise tritt diese Situation ein, wenn nach einem Börsenkrach
die zur Schuldendeckung verwendeten Sicherheiten entwertet sind und
daher die Bereitschaft zur Kreditvergabe unter eine kritische Schwelle
sinkt. Je höher der Schuldenturm dann bereits angewachsen ist, desto
größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen unter die 2% gesenkt
werden müssen, womöglich deutlich darunter, woraufhin dann die allseits
bekannte deflationäre Depressionsspirale einsetzt. [Praktisches Beispiel
hierfür ist die derzeitige Situation in Japan.]

Um das zu verhindern, muss derzeit mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln dafür gesorgt werden, dass der Zinssatz, den die Unternehmen zu
zahlen bereit und in der Lage sind, größer ist als diese 2-3%. Dazu
wiederum müssen die Gewinnerwartungen der Unternehmen hoch genug sein,
und das ist nur der Fall, wenn die Wirtschaft immer weiter wächst. Das
wiederum hat u.a. damit zu tun, dass nur dann die Verschuldung und damit
die Menge an Schuldentilgungsmitteln mit dem durch den Zins verursachten
Wachstum der Forderungen mithalten kann.

Solange die Gesamtverschuldung noch gering ist gegenüber dem jährlichen
Sozialprodukt, geht die Sache auch gut. Da aber der Zinseffekt die
Verschuldung immer um einige Prozent mehr anwachsen lässt, als den
wirtschaftlichen Output, steigt die Gesamtverschuldung kontinuierlich
gegenüber dem BSP an. Je "älter" die Wirtschaft wird, desto größer die
Schuldenberge, desto größer einerseits der Druck, mehr Wachstum zu
haben, desto geringer andererseits die Bereitschaft zu weiterer
Verschuldung. Zudem werden mehr und mehr Märkte gesättigt. Alles in
allem muss das Wachstum gegen immer größere Widerstände quasi erzwungen
werden.

Die Methoden, mit denen das bewirkt werden soll, sind von Land zu Land
und von Fall zu Fall verschieden. Typisch sind z.B.
Steuererleichterungen für Unternehmen oder auch direkte Investitionen
des Staates, bezahlt über höhere Schuldenaufnahme des Staates. All dies
hilft natürlich nur für begrenzte Zeit weiter und wirkt sich u.a. darin
aus, dass für sinnvolle soziale Maßnahmen kein Geld mehr da ist. Mit dem
unvermeidbaren weiteren Anstieg der Verschuldung gegenüber dem BSP wird
das ganze weltweite Finzanzsystem immer brüchiger, die große weltweite
Finanzkrise immer wahrscheinlicher.

                              ***************

Entkoppelt man hingegen die Geldschöpfung von der Kreditvergabe, dann
kann prinzipiell auch ohne direkten Einfluss auf die Zinsen die
Geldmenge reguliert werden. Eine eventuell nötige Geldvermehrung würde
per "Geschenk" an den Staat oder gemeinnützige Vereine geregelt.

Wir hätten dann eine Situation, in der der Zinssatz nun tatsächlich
erstmals seit einigen Jahrhunderten durch Angebot und Nachfrage nach
gespartem Geld bestimmt würde. Bei zu erwartender und in vielen
Bereichen auch ständig zu beobachtender Sättigung der Märkte würde dies
auf die Dauer zu einem Sinken der Gewinnerwartungen und daher auch des
Zinssatzes führen.

Um dann eine Geldhortung zu vermeiden (mit den bekannten negativen
Symptomen) wäre eine Hortungsgebühr (i.e. Negativzinsen auf Bares) eine
sinnvolle wenn nicht gar notwendige Maßnahme zur Stabilisierung des
Geldwertes. Die Sache hätte noch eine Reihe weiterer Vorteile:

Durch die Gebühr besteht eine Tendenz zur Verringerung des umlaufenden
Geldes, die natürlich durch eine ständige Neuemmision in Höhe der
eingenommenen Gebühren kompensiert werden würde. Das würde einerseits
die Regelung erleichtern (da man nur in eine Richtung korrigieren d.h.
mehr oder eben weniger Geld in die Wirtschaft zurückführen müsste).
Gleichzeitig hätte man zusätzliche Einnahmen die z.B. an gemeinnützige
soziale Organisationen verteilt oder zur Finanzierung einer
Grundsicherung eingesetzt werden könnten.

Auch die Spekulation (mit Devisen, Aktien und Derivaten) würde etwas
eingedämmt werden, da hierzu dann ja größere Geldmengen angehäuft werden
müssten, die entsprechend Gebühren kosten (und diese Geldmengen nicht
einfach per Buchung kreiert und nach der Transaktion wieder annulliert
werden könnten).

Es wäre zum Funktionieren eines solchen Systems allerdings nötig, die
Schaffung von Geldersatz-Mitteln per Buchungsvorgang strikt zu
unterbinden, z.B. durch 100%-ige Reservevorschriften für kurzfristig
fällige Bankkonten; eventuell auch auf unausgeschöpfte
Überziehungslimiten.

> Ist es wirklich so schwierig zu verstehen, daß hier auf dieser Erde alle
> Lebewesen in einem naturnotwendigen Wettbewerb um Ressourcen stehen, der die
> Einführung des Schlaraffenlandes für immer unmöglich macht?

Wer außer dir redet von Schlaraffenland?

Es geht doch um etwas ganz anderes. Nämlich darum (um Ernst Dorfner zu
zitieren), zunächst die real existierende Kreditgeld-Wirtschaft
versuchsweise erstmals der klassischen Theorie anzupassen; um dann per
Gesellscher Geldhaltungsgebühr ein Absinken des Wachstums und der Zinsen
zu ermöglichen (nicht etwa zu erzwingen!), ohne dass die ansonsten mit
Sicherheit auftretende zunächst finanzielle, dann politische und
schließlich militärische Krise die Arbeit von Generationen wieder
zunichte macht.

Damit das ganze auch klappt, sollte man sich besser vorher fragen, wie
es mit der Deckung eines solchen Geldes auszusehen hat. Daher -
zumindest bei mir - die Motivation hinter der Fragestellung dieses
Threads.

Ben