To: newmoney@rzmail.uni-erlangen.de
Subject: Re: Kapital != Produktionsmittel
Benjamin Franksen schrieb:
(...)
> Platt gesagt: Geld befreit mich vom Zwang zur Arbeit.
Genau. Und das ist in der Tat eine riesige Ungerechtigkeit. Denn
es ist
ja wohl klar, dass die Arbeit von *irgendwem* erledigt werden
muss. Die
Sachen, die man so zum Leben "braucht" (will sagen: gerne hätte)
entstehen ja nicht einfach so.
(...)
Hallo Ben et al.;
dass die Produktion unserer Lebenserhaltung von irgendwem erledig werden
muss ist richtig.
Aber du hast doch sicher nix dagegen, wenn dich dein Auto übers
Land trägt und dich die
Sonne wärmt, oder?
Nicht alles selbst machen zu müssen ist doch eine conditio sine
qua non fast aller Lebewesen.
Das Schwein frisst das ganze Jahr sein Futter und wird am Ende in deinem
Kochtopf landen.
Du wirst das nicht als Ungerechtigkeit empfinden.
Die Nordamerikaner des 18. Jahrh. empfanden es ebenso als richtig, dass
der Sklave das Brot
produzierte, das er, der Amerikaner aß.
Es ist ein sehr starker Wille im Menschen zu erkennen, andere für
sich arbeiten zu lassen, von
der Nutzung der Naturkräfte über den Einsatz von Tieren und
Sklaven bis hin zum Einsatz von
Maschinen.
Die Skalven nicht als Tiere zu sehen war ein enormer kultureller Fortschritt.
Die arbeitenden
Menschen nicht als Produktionsfaktoren zu sehen steht noch aus und
wird erst möglich sein,
wenn nahezu alle Arbeit von Maschinen zu bewältigen ist.
Bis dahin geht es um die Definition der lebenssichernden Ressourcen
für die wenigen nicht
selber zu diesen Ressourcen zählenden Menschen (die Vermögenden).
Sie haben sich als
Sicherung ihres Anspruches ein Rechtssystem erschaffen, das ihnen die
Gewähr bietet,
wesentliche Teile der Biosphäre zur Ressource zu erklären
und darauf zurückgreifen zu dürfen.
(Das ist der Inhalt des Knappheitsbegriffes.)
Die Kräfte der Ressource sind allerdings wiederum in ein eigenes
Sytem von Ausbeutung
eingebunden. Die Schweine in der Natur fressen die Waldfrüchte,
die waldfrüchteproduzierenden
Bäume fressen den Boden und das Licht usw. Bindet der Mensch die
Ressourcen an sich,
so muss er ebenso dafür Sorge tragen, dass die ressourcen für
seine Ressourcenträger gesichert
sind. So füttert er die Tiere und so füttert er auch jene
Menschen, die zu seiner Ressource
gehören. Der Gutsbesitzer musste seine Sklaven ernähren.
Weil der Bauer seine Schweine füttert kann bei den Schweinen der
Eindruck entstehen, der
Bauer gehöre zu ihrer Ressource. Die rechtliche Sitation allerdings
stellt klar: der Bauer hat das
Recht, das Schwein zu schlachten, das Schwein hat aber keinen Anspruch
auf
Futter. Auf den bürgerlichen Menschen gewendet: Der Arbeitgeber
hat einen Anspruch auf die
Dienstleistung seines Arbeitnehmers, aber der Arbeitnehmer hat keinen
Anspruch auf die
Dienstleistung seines Arbeitgebers. Er hat lediglich einen Anspruch
auf etwas, was ihm selber nix
bringt, sondern nur demjenigen, der es als Mittel für einen ganz
speziellen Zweck braucht,
nämlich einen Anspruch auf Geld (=Entschuldungsmittel).
Arbeitsvertäge werden also nicht geschlossen als Austauschverträge
von
Diensten und Gütern, sondern als Tausch von Dienstleistungen gegen
Geld.
(Man kann sich den Unterschied deutlich machen, wenn man sich
die
Entlohnung in Inflationszeiten vorstellt. Der Arbeitnehmer arbeitet
vertragsgemäß 8
Stunden und produziert z.B. 80 Kg Butter, er bekommt aber einen Lohn
der heute 70, morgen 60 und
übermorgen 20 Kg Butter wert ist. Hätte ihm der Arbeitgeber
im Arbeitsvertrag 70 Kg Butter
zugesagt sähe die Sache anders aus).
Der Arbeitgeber bekommt eine konstante Leistung und zahlt mit einer Variablen.
Diese Angelegenheit zu klären schein mir ein wichtiger Schritt
bei der
Erklärung der Eigentumswirtschaft und des Geldes zu sein.
Grüße
FXS
------------------------ und später ---------------------
To: newmoney@rzmail.uni-erlangen.de
Subject: Re: Kapital != Produktionsmittel
Dieter Braun schrieb:
> (...)
>
> Aber es gibt noch den Aspekt, warum dieses moderne Geldsystem diese
enorme
> Rationalisierung/Technologiesierung angeschmissen hat. Da muß
es doch eine
> Verbindung
> geben.
Hallo Dieter et al.,
die Verbindung ist - wie soll es anders sein - kompliziert. Geld - so
meine an Heinsohn/Steiger
angelehnte These - dient dem Eigentumserwerb und der Eigentumssicherung.
Ich zahle bei meinem Kaufmann nicht die Tomaten, sondern für meine
Freiheit. Denn
nähme ich die Tomaten ohne zu bezahlen so wanderte ich unweigerlich
ins Gefängnis.
Das schönste Bild für dieses Verhältnis findest du auf
einem Ablasszettel. Hier
wird für eine bemessene Sühneleistung eine ebenso bemessene
zeitliche Abkürzung
des Fegefeuers versprochen. Ich gehe in den Laden und nehme mir die
Tomaten. Nun
muss ich ins Gefängnis - es sei den, ich habe einen Ablasszettel.
Diesen Ablasszettel
bringe ich deshalb schon immer mit und mein Kaufmann ist so nett, an
die Tomaten
ein Schild zu hängen, wo der notwendige Entschuldungswert meines
Ablasszettels
draufsteht.
Ich zahle nicht für Waren, sondern für meine höchstpersönliche
Freiheit. Die
Geldwertstabilität wird deshalb auch nicht - wie häufig behauptet
- durch stabile
Preise hergestellt (wie soll es die bei Berücksichtigung der technischen
Fortschritte etc. geben?), sondern durch die rigorose Gleichbewertung
aller
gleichartigen Eigentumsdelikte.
Wenn der Millionär ein Auto stiehlt geht er genau so in den Knast,
wie der BAföG
Empfänger bei gleichem Tatbestand. Gesellschaften, in denen das
nicht der Fall
ist, die haben auch ein enormes Problem im Finanzierungssektor ihrer
Wirtschaft
(z.B. Russland, Venezuela etc.).
In einem funktionierenden Rechtsstaat haftet man für die Erfüllung
seiner
vertraglich eingegangenen Verpflichtungen. Die Haftungspotenz ist die
alles
entscheidende Kraft des Wirtschaftens. Nicht ohne Grund heißt
haftendes Potential
auch Kapital (Kopfstück).
Maschinen sind nicht haftungsfähig. Sie können zwar arbeiten
und Güter erzeugen,
aber sie können nicht in Haft genommen werden.Darum sind sie als
Geschäftspartner
nicht zu gebrauchen, wohl aber in idealer Weise als Sklaven. Sklaven
und Maschinen
eignen sich beide als Produktionsmittel - sie sind austauschbar. Maschinen
wären
kostenlos wie naturgüter, müssten sie nicht zuvor von Menschen
hergestallt werden.
Sind sie aber einmal da, so sind sie kostenlos. Soweit Maschinen die
menschliche
Arbeitsleistung ersetzen haben sie den großen Vorzug, jederzeit
aus der
ökonomischen ausgegliedert werden zu können; Arbeitsverhältnisse
sind weniger
flexibel. Darum sucht jeder Unternehmer mit möglichst vielen Maschinen
statt
Mensch zu produzieren. Denn mit den Arbeitsleuten hat der Unternehmer
einen
Vertrag zur Erfüllung von Entgeltforderungen, mit den Maschinen
nicht. So
konkurrieren also die Maschinen mit den Arbeitsleuten und da es ein
Leichtes ist,
Arbeitsleute in der Produktionsmittelbranche dazu zu bringen, Maschinen
zu
produzieren, die jeden Arbeutsleut im Produktionssektor blass aussehen
lassen kann
man ziemlich schnell erkennen: Je höher die Löhne in einer
bestimmten Branche
sind, desto heftiger wird dort an dem Ersatz der Lohnempfänger
durch Maschinen
gearbeitet (z.B. in der Druckereibranche).
Wichtig ist bei dieser Argumentation der Hinweis, dass eine Maschine,
die allen
zur Verfügung steht, nix wert ist, denn sie schafft dem Einzelunternehmer
keinen
Vorteil um dessentwegen er allein bereit ist, die Maschinenaufrüstung
zu
betreiben. (Das ist ein Fakt, der die technologische Schwachheit der
DDR erklärt.
Dort standen die Produktionseinheiten in keinerlei Konkurrenz zueinander
und
hatten deshalb bessere Maschinen einfach nicht nötig).
Ich fasse hier zusammen.
Wenn in einer Gesellschaft jeder mit Haft bedroht ist, der etwas von
dem
gesellschaftlich produzierten Güterbestand für sich in Anspruch
nimmt (Urschuld)
und der einzige Weg zur Freiheit in dem Erwerb von Entschuldungsmittel
(Geld)
besteht, dann erzeugt das Interesse an Entschuldungsmitteln einen Run
auf solche
Produktionsmittel, die nicht selbst wieder Schuld erzeugen. Das sind
die
Maschinen.
Weil aber Maschinen nicht an den Bäumen wachsen sind sie leider
nicht kostenlos -
aber daran wird gearbeitet.. (Wenn ich mir vorstelle, was noch vor
kurzem die
Maschine gekostet hat, mit deren Hilfe ich dieses lauinge Schreiben
verfasse -
dann erfasst mich mächtiger Stolz auf die Kraft menschlischen
Geistes...).
> Wenn anders weitergedacht: nimm an, anfangs brauchte man für
80kg Butter
> auch 8 Stunden Arbeitsleistung. Durch 'Rationalisierung' (nehmen
wir mal den Fall, wo
> keine Maschinen involviert sind, um nicht ein weiteres Faß
aufzumachen: durch Züchtung geben die Kühe
> immer mehr Milch) braucht man heute 7 Stunden, morgen 6 Stunden und
übermorgen 2 Stunden,
> um die Butter zu machen.
>
> Wo ist die Konstanz?
Die Konstanz liegt in der konstanten Wertschätzung der individuellen
Freiheit. Die
100 Mark Lohn befreien mich von einer Haftstrafe die ich bekomme, wenn
ich die 100
Mark nicht habe, um irgendwas zu zu kaufen, sondern statt dessen stehlen
muss.
Aber je mehr nicht haftungsfähige Produktionsfaktoren (Natur,
Maschinen) an einer
Leistung beteiligt sind, desto geringer ist der notwendige Eintrag
von
Haftungsmitteln (Geld). Wir schulden der Natur nichts, denn die
Natur kann uns
nicht verhaften lassen, ebensowenig wie eine Maschine. Das macht es
uns einfach,
die Natur und die technischen Möglichkeiten gnadenlos auszubeuten.
(Verständlich
deshalb, dass Naturschützer gerne ein Haftungsverhältnis
zwischen Menschen und
Natur konstruieren und auf die Sanktionsmöglichkeiten der Natur
(menschenbedrohliche Katastrophen) verweisen). Auch die Angst vor dem
"Zurückschlagen der Maschine" füllt die Spalten entsprechender
Organe.
Grüße
Franz Xaver Schröder