Ernst Dorfner

„Vollgeld“

und hierzu erforderliche Klarstellungen zum Thema „Geld

 

Teil 1

Geld, wie es gesehen wird

 

A. Eine Vorbemerkung

 

Der folgende Beitrag, gegliedert in 4 Teile, beschäftigt sich nicht mit den üblichen Themenkomplexen einer freiwirtschaftlichen Geldreform, deren Notwendigkeit und Richtigkeit.  Vielmehr soll hier klargelegt werden, dass eine solche Geldreform solange ins Leere gehen muss, wie sie auf unser heutiges Geldsystem angewendet werden. Dessen Strukturen liegen nämlich ganz abseits von den Vorstellungen vom Geld, die alle – einschließlich der Freiwirte – in ihren Köpfen herumtragen. 

Wie gezeigt wird, kann sich das vorhandene  Geldsystem den von der Freiwirtschaft vorgeschlagenen Institutionen wie der Umlaufsicherung entziehen.

 

Noch einmal: Es soll hier nicht beurteilt werden, ob eine Umlaufsicherung richtig und notwendig ist. Es geht hier „nur“ darum, ein neues Geldsystem, nämlich das System eines „Vollgeldes“ vorzustellen, das die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Umlaufsicherung schafft.

 

Damit dieses neue System nun aber jene Konturen erhält, die es aus dem vorhandenen  hervortreten lassen, ist vorausgehend eine Klärung in unseren Vorstellungen erforderlich. Geld ist nicht so, wie es üblicherweise gesehen wird. So aber wie es wirklich ist, sieht es kaum jemand. Mit Vollgeld aber schaffen wir dann ein Geld, wie wir es sehen.

 

Kurz und gut: Wir müssen das Geld erst schaffen, auf das wir die freiwirtschaftlichen Reformvorschläge dann anwenden können.

Bereits Silvio Gesell hat das erkannt.

 

Die Titel der einzelnen Beiträge sind

 

Teil 1 : Geld, wie es gesehen wird

Teil 2:  Geld, wie es ist

Teil 3:  Geld und seine Gläubigen

Teil 4.  Das System des Vollgeldes

Teil 5:  Mit Vollgeld zum Tauschgeld

 

Eines sei hier noch angemerkt: Um das Wesen des derzeitigen Geldes verstehen zu können, ist es erforderlich, sich mit den Grundzügen der Bilanzbuchhaltung beschäftigen. Andernfalls bleibt so manche Erklärung ein Buch mit sieben Siegeln.

 

 

B. Geld – ein Ding

Am Anfang ist die Tauschware

 

Paul A. Samuelson schreibt in seinem Standardlehrbuch: „In allen Kulturen, mit Ausnahme der allerprimitivsten, tauschen die Menschen nicht direkt ein Gut gegen ein anderes. Statt dessen verkaufen sie ein Gut gegen Geld und verwenden dann dieses Geld zum Kauf der Güter, die sie erwerben wollen.“  Samuelson dann weiter:  „Statt eines doppelten Zufalls gleicher Bedürfnisse gibt es eher einen Bedarf an Zufall; nur wenn ein hungriger Schneider einen unbekleideten Bauern trifft, der über Nahrungsmittel verfügt und sich Hosen wünscht, können beide einen Handel abschließen. Geld vereinfacht das Wirtschaftsleben.“ (1)

Mit dieser ‘doppelten Koinzidenz’ wird der Vorteil des Geldes erklärt. Und allein bei diesem einzigen Vorteil bleibt es auch. Wobei Geld ganz einfach da ist.

 

Geld ist in diesem Sinn eine Tauschware, das zwar gebraucht, aber nie verbraucht wird. Als diese Tauschware, so die Vorstellung, wird Geld von einem Wirtschaftssubjekt zum nächsten und wieder zum nächsten im Austausch für eine Verbrauchsware (2) weitergegeben. Also von A zu B zu I zu R zu Z zu B zu  G zu X zu A zu ....  Diese Tauschware ist genau so selbstverständlich da wie jede andere Ware. Sie wird von irgendjemandem als Ware hergestellt und im Austausch gegen eine andere in Umlauf gebracht. Und da sie dabei nicht verbraucht wird, bleibt sie auch immerfort darin, sofern sie als Ware nicht zurückgehalten wird.

 

Wird diese Tauschware als Schatzmittel zurückgehalten, so wird der Kreislauf unterbrochen. Daraus entsteht die herkömmliche Vorstellung vom Sparen und Verleihen von Geld: Die Tauschware, also ein Ding, wird gegen einen Vertrag auf Rückgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt verliehen und so wieder in den Umlauf zurückgeschleust. Die Tauschware wird also gegen einen Vertrag auf Rückgabe zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht. Eine Verbuchung im Sinne der doppelten Buchhaltung findet dabei dann nicht statt, wenn ein Verleihen ohne Zwischenschaltung einer Bank erfolgt, was ja hier beim Verleihen von Dingen möglich ist. 

Wenn aber über eine Bank verliehen  - und verbucht - wird, dann steht im ersten Schritt - dem Verleihen des Geldes vom Kunden A an die Bank -  dem Geldbetrag auf der Aktivseite der Bankenbilanz auf der Passivseite eine Verbindlichkeit gegen A gegenüber. Das Geld bleibt dabei erhalten.

Die Verbindlichkeit ist hier eine in Geld. Erst im zweiten Schritt, wenn das Geld an C weiterverliehen wird, wird die Verbindlichkeit der Bank bzw. die Forderung des A eine Forderung in Geldvermögen.  Dies anzumerken ist wichtig, weil sich hier dann später gegenüber unserem heutigen Geld ein entscheidender Unterschied zeigt

   

Diese Tauschware ist ursprünglich das Gold – Gold als über die Goldgewinnung produzierte Ware. Diese Vorstellung  einer Tauschware bleibt beim Übergang zum Papiergeld erhalten, obwohl man weiß, dass dessen Produktion kaum mehr Kosten verursachen. So ist Geld in der üblichen Vorstellungswelt weiterhin ganz einfach da, so als ob es im Austausch gegen eine andere Ware in den Kreislauf gekommen wäre.

 

Dieses ‚ganz einfach Da-sein’ von Geld findet sich so bei Helmut Creutz, wenn er schreibt: „In einem Kreis gibt es keinen Anfang und kein Ende. Ein einmal in den Kreislauf gegebener Geldschein kann also endlos kursieren, ganz gleich, wofür er verwendet wird. Machen wir uns das an einfachen Modellen mit fünf Beteiligten klar.

A kauft bei B. – B benötigt das erhaltene Geld nicht und verleiht es an C. – C kauft bei D. – D verleiht es an E, der damit wieder bei A eine Leistung bezahlt. Der umlaufende Geldschein wurde also dreimal zum Kaufen und zweimal zum Verleihen benutzt. Hätte B den erhaltenen überschüssigen Geldschein nicht verliehen, sondern bei sich liegengelassen, so wären die nachfolgenden Vorgänge nicht möglich gewesen. Dieses einfache Beispiel zeigt, welche Gefahren von Geldzurückhaltungen ausgehen.“ (3) 

 

Aus diesem Modell wird erkennbar, was unter Geld, Kredit und Geldumlauf verstanden wird. Dabei werden folgende Voraussetzungen stillschweigend und unhinterfragt immer wieder angenommen:

 

1.     Alle Waren einschließlich der Tauschware Geld werden in einem vorgeldlichen Bereich hergestellt.

 

Die Fertigung von Waren ist vom Geld nicht abhängig. Eine Vorfinanzierung in Geld ist nicht notwendig.

Die so hergestellten Waren treffen am Markt aufeinander, wo sie vermittels des Geldes getauscht werden.

Die Bereitstellung von neuen Verbrauchswaren nach dem Verkauf der alten bereitet kein zeitliches Problem. Das Warenangebot rückt also sofort wieder nach, so dass mit dem weitergegebenen Geld sofort wieder Waren gekauft werden können. 

 

  1. Geld kommt als Tauschware über einen Tauschvorgang in Umlauf.

 

  1. Geld ist ab da als Tauschware, als Ding, einfach immer „da“.

 

Geld kann so nur verschwinden, wenn die Tauschware missbräuchlich verbraucht oder als Schatz aus dem Verkehr gezogen wird.

 

  1. Der Kauf/Verkauf-Vorgang stellt sich als Tauschvorgang dar, bei dem das Ding „Geld“ gegen andere Dinge getauscht wird.

 

Geld zirkuliert als niemals verbrauchte Tauschware, die gegen eine Verbrauchsware getauscht wird.

Je rascher dieses Geld zirkuliert – so die Vorstellung -, umso mehr kann verkauft werden, umso reicher ist also die Gesellschaft. Der Reichtum der Gesellschaft hängt also nur von einem klaglos funktioniernden Handel ab.

Geldzurückhaltung (Hortung) unterbricht den Geld-Kreislauf und damit den Handel. Weiterverleihen führt das Geld in den Kreislauf zurück.

Unter Sparen wird das Nichtverwenden des Geldes durch den Sparer und dessen Weiterverleihen an einen Kreditnehmer verstanden.

 

  1. Kredit setzt das Vorhandensein von Geld und setzt Ersparnisse in Geld zwingend voraus.

 

Um Kredite vergeben zu können, müssen die Banken Ersparnisse an sich bringen.

Dazu müssen sie den Sparern Haben-Zinsen zusichern, die sie dann an die Kreditnehmer mit Zuschlag einer Bank-Marge weiterverrechnen müssen.

 

  1. Der Zins kommt erst dann ins Spiel, wenn irgend wo mitten im Umlauf Geld gespart wird und damit Kredite vergeben werden.

 

  1. Um Zinsen bezahlen zu können, müssen die Banken das gesparte Geld an jemand verleihen, der Zinsen zahlt.

 

Diese Aussage scheint selbstverständlich und daher entbehrlich. Sie wird aber gemacht, um schon jetzt auf einen entscheidenden Unterschied zum Kreditgeldsystem hinzuweisen.   

 

Dieses Modell beschreibt den mittelalterlichen Handelskapitalismus, nicht jedoch den Produktions- oder Industriekapitalismus der Neuzeit.  Doch noch immer prägt es die Vorstellungen rund um das Geld: So irgendwie als Tauschware kommt auch unser heutiges Geld in den Umlauf, bereitgestellt durch die Zentralbank, welche die alleinige Macht zu dessen Bereitstellung hat, so irgendwie funktioniert das alles auch mit dem modernen Geld, dem Sparen und den Krediten. So irgendwie. Geld: Ein A-priori.  Doch „nichts genaueres weiß man nicht“.

 

Anmerkungen:

 

1.     Paul A. Samuelson, Volkswirtschaftslehre, Bd. I, S. 356, Bund-Verlag, 1975

2.     Auch die üblichen Gebrauchswaren werden ja mit der Zeit ‚verbraucht’.

3.     Helmut Creutz, Das Geldsyndrom, S.52, Ullstein, 1994