Wenn ich heute im Supermarkt
meine Lebensmittel besorge und an der Kasse dann mit der Bankomat- oder mit der
Quick-Karte zahle, so wird mir deutlich bewusst, dass ich dabei kein Ding gegen
andere Dinge tausche. Es wird allein von meinem Gehaltskonto bei meiner Bank der
bezahlte Betrag abgebucht und dieser dem Konto des Supermarktes bei seiner Bank
zugebucht. Dabei liegt auf meinem Konto keine bestimmte Summe Geldes in
verschiedenen Banknoten, also in Dingen. Ich habe lediglich eine Forderung in
besagter Höhe gegen die Bank, festgehalten auf meinem Konto bei der Bank, der
buchhalterisch eine gleich große Verbindlichkeit der Bank mir gegenüber
gegenübersteht. Beim Bezahlen reduziert sich meine Forderung gegen die Bank, so
auch deren Verbindlichkeit mir gegenüber, nicht aber die Gesamtverbindlichkeit
der Bank bzw. des Bankensystems. Es wird nur ein Teil der ursprünglichen
Verbindlichkeit mir gegenüber in eine Verbindlichkeit gegen den Supermarkt
übertragen.
Diese Übertragung äußert
sich nur in den Kundenkonten der Banken, nicht aber in der konsolidierten Bilanz
der monetären Finanzinstitutionen (MFI). Es ändert sich nichts an der
Gesamtsumme der Forderungen und Verbindlichkeiten. Nur die Zuordnung zu den
Konten ändert sich.
In dieser konsolidierten
Bilanz der MFIs mit Einschluss der Zentralbank scheint nun sämtliches Geld
(Bargeld und Giralgeld) und sämtliches Geldvermögen auf der Passivseite als
Verbindlichkeiten der Banken gegenüber Gläubigern auf, denen gegenüber auf der
Aktivseite Forderungen der Banken gegen Schuldner hauptsächlich in Form von
Krediten stehen. Geld und Kredit stehen also zueinander in einem engen
Beziehungsverhältnis.
Wir sollten nun bedenken,
dass eine Produktion von Waren in unserer Gesellschaft den vertraglich
vereinbarten Zugriff auf fremdes Eigentum – und damit das Vorhandensein von Geld
nicht erst beim Tausch der Waren am Markt voraussetzt. Geld löst bereits das
Schuldverhältnis ab, das ursprünglich zwischen dem Produzenten A als Erwerber
eines Vorproduktes und dem Produzenten C als Abgeber desselben entsteht. Dieses
Geld erhält A über einen Kredit der Bank B. Der Kredit der Bank B an den
Kreditnehmer, den Produzenten A, ist dabei zuerst nur ein gegenseitiges Paar von
Forderungen und Verbindlichkeiten: Eine Verbindlichkeit der Bank, (damit eine
Forderung des Kreditnehmers), zu zahlen, gleichzeitig aber auch eine
Verbindlichkeit des Kreditnehmers (damit eine Forderung der Bank), rückzuzahlen.
Noch heben sich die so gebildeten Spannungsvektoren gegenseitig auf. Erst wenn die Forderung
des Kreditnehmers von diesem auf einen Dritten C, den Lieferanten von
Vorprodukten des A,
übertragen wird, entsteht ein Spannungsverhältnis. Die Vektoren heben
sich nicht mehr gegenseitig auf.
Während das Kreditverhältnis zwischen Kreditnehmer A und Bank B in Form einer
Forderung der Bank bzw. einer Verbindlichkeit des Kreditnehmers weiter aufrecht
ist, ist die Verbindlichkeit der Bank an den Dritten C in Form einer Forderung
gegen diese übertragen worden. A hat nun keine Verbindlichkeit mehr
gegenüber C, sondern nur gegenüber
der Bank B, C keine Forderung gegen A, aber eine gegen die Bank B. Damit ist
„Geld“ entstanden.
Damit ist Geld nicht mehr
ein Ding, das alleine für sich besteht. Damit Geld entsteht, bedarf es mehrerer
Rechtspersonen: Eines Schuldners der Bank in Person des Kreditnehmers, eines
Gläubigers der Bank – der also an diese glaubt, ihr vertraut – und der Bank, die
dieses Vertrauen genießt.
Dieses Vertrauen entsteht
dann, wenn C diese Forderung gegen
die Bank zur Tilgung seiner Kredite, die er vor Beginn der Herstellung des
Vorproduktes aufgenommen hat, verwenden kann. Dabei hebt sich die Forderung des C gegen die Bank mit
seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank auf. C hat seine Schulden getilgt, das Geld,
das er mit seiner Kreditaufnahme geschaffen hat, ist wieder verschwunden, ist
vernichtet worden.
Geld existiert also nur in
dem Zeitraum zwischen dem Eingehen des neuen und dem Tilgen des alten
Schuldverhältnisses.
Übrig bleibt nun A als
Schuldner. Und zwar mit einer höheren Schuld als C, weil dieser im Preis des
Vorproduktes, den A zu zahlen hat, zusätzlich zu seinen Kosten noch Gewinn und
Zinsen für den Kredit zurechnet. Diese Schuld des A, der Kredit, äußert sich in
der Bankbilanz nun aber nicht als Geld, sondern als Geldvermögen. Geldvermögen
entsteht also nicht durch Sparen, sondern durch Verschulden.
Geld ist somit etwas
Nicht-Dingliches, das auch verschwinden kann. So wie der elektrische Strom, der
zwischen unterschiedlich hohen Spannungspotentialen, zwischen Quelle und einer
Senke fließt. Und so wie bei einem Erdschluss das Stromnetz zusammenbricht, verschwindet Geld dann, wenn es zu einem
Kurzschluss zwischen Neu- und Altschuldnern kommt. Geld ist also nur solange
vorhanden, wie die Fließgeschwindigkeit zwischen Quelle und Senke, den Neu- und
Altschuldnern, eine begrenzte ist.
So können wir nun ein erstes
Verständnis zusammenfassen:
Kredite werden
idealtypisch durch Unternehmen aufgenommen, um Vorprodukte und Leistungen von
Dritten zukaufen zu können. Produzieren setzt also Verschulden voraus.
Geld entsteht dann durch Übertragung der aus einem
Kredit resultierenden Forderung des Kreditnehmers gegen die kreditgebende Bank
an diesen Dritten bzw. an dessen Bank. Geld in Form täglich fälliger Guthaben
ist also eine Forderung des Konteninhabers gegen dessen kontenführende
Bank.
Diese Dritten (bei Lohnzahlungen sind es die von
Unternehmen bezahlten Lohnempfänger, also die Vierten) können mit diesen
Forderungen ihre eigenen Schulden tilgen.
Alte Schulden werden somit durch neue Schulden, alte
Kredite durch neue Kredite getilgt. Geld fließt zwischen diesen Neu- und
Altschulden.
Das Geschäft der Geschäftsbanken
besteht in einem fortdauernden Schöpfen von Neukrediten zur Tilgung der alten
Kredite, wobei die Summe der Neukredite stets höher sein muss als die der alten.
Die Unternehmer müssen ja zu ihren ursprünglichen Kosten jeweils noch Zinsen und
Gewinne zurechnen.
Der Gewinn der Banken wird aus den Kreditzinsen
finanziert.
Das ist das Neue an unserem
heutigen Geld, das ein Geld des Industriekapitalismus ist.
Die Entstehung von Geld und
Geldvermögen
Aus diesen Überlegungen wird
nun aber auch ersichtlich, dass nicht Geld, sondern Verschuldung – und zwar eine
wachsende Verschuldung, damit der Vorschuldner jeweils Gewinne lukrieren und
Zinsen zahlen zu können – von Hand zu Hand vorwärts in die Zukunft läuft, wobei
die „alte“ Verschuldung durch eine „neue“ Verschuldung abgelöst wird. Womit Geld aber gewissermaßen von den
neuen Schulden immer zurück in die Tilgung der alten Schulden läuft. Folglich
muss auch immer wieder „neues“ Geld entstehen, um alte Schulden aufzulösen,
womit dieses Geld wieder vernichtet wird.
Das Geld bewegt sich also
zurück. Und es ist nur solange vorhanden, wie es sich zwischen Start und Ziel
bewegt. Mit der Vorstellung einer Bewegung wird nun aber auch deutlich, dass es
auch bei dieser Form von Geld so etwas wie eine Fließgeschwindigkeit gibt. Diese
Fließgeschwindigkeit würde unendlich groß, wenn der Zeitpunkt der Verschuldung
des A mit dem Zeitpunkt der Entschuldung des C praktisch zusammenfällt. Geld
verschwindet fast in dem Moment, in dem es entsteht. An seine Stelle tritt
„neues“ Geldvermögen anstelle eines „alten“: So wie C von seiner Schuld erlöst wird
und an seine Stelle A tritt, steht
nun die Verbindlichkeit des A dem Geldvermögensbesitzer an Stelle der von C
gegenüber.
Diese Geschwindigkeit muss
also eine endliche sein, damit Geld überhaupt vorhanden ist. Und sie wird
deshalb eine endliche, weil nahezu alles Geld auch durch die Hände der Haushalte
fließt: Diese Fließgeschwindigkeit hat dabei eine obere Grenze, die vom
zeitlichen Abstand, also dem Rhythmus abhängig ist, in dem immer wieder eine
Neuverschuldung und damit der Einkommenstransfer erfolgt. Damit zusammen aber
hängt auch der materielle Output der Produktion, die diesem Einkommen
gegenübersteht. Sie bestimmt die mittlere Fließgeschwindigkeit. Auch ein
Haushalt kann sein Monatseinkommen nur einmal im Monat ausgeben, unabhängig
davon, ob er dies schon in den ersten Tagen macht oder verteilt über den ganzen
Monat.
Umgekehrt kann es auch einen
Geldstau oder Geldzurückhaltung geben. Dies vor allem
Beim Einkauf von
Vorprodukten mittels Fremdfinanzierung verschulden sich die Unternehmen nur
soweit, wie sie für die Produkte zu zahlen haben. Die Höhe der Geldschaffung
entspricht also der Höhe der Geldnutzung. Das gesamte neu geschaffene Geld
fließt so von A rasch zurück zu C, wo es zur Tilgung der Kredite verwendet wird,
die für die Herstellung der Vorprodukte benötigt wurden. Die Zeitpunkte der
Geldschaffung und der Zeitpunkt der Geldvernichtung fallen fast unmittelbar
zusammen.
Bei Lohnzahlungen ist dies
jedoch anders. Zwar wird auch hier das neu geschaffene Geld zum Kauf schon
früher gefertigter Produkte verwendet, doch fällt hier der Zeitpunkt der
Geldschaffung nicht so unmittelbar mit dem Zeitpunkt der Geldnutzung zusammen.
Und selbst bei mittleren Einkommen wird dieses nicht kurz- bis mittelfristig zur
Gänze verkonsumiert, sondern ein Teil davon nicht ausgegeben. Die
Verschuldungs/Entschuldungs-Stafette wird hier eingebremst bis teilweise
unterbrochen.
Ähnliches kann mit dem
Geldeinkommen der Unternehmen geschehen, das dem Eigenkapital zufließt. Auch
dieser Anteil im Preis der Produkte muss durch Geldschaffung vom Käufer
bereitgestellt werden, doch
muss er nicht zwangsläufig zur
Tilgung alter Schulden verwendet, sondern kann auch für eine spätere
Neuanschaffung zurückgelegt werden.
Diese Nichtnutzung von
vorweg geschaffenen Geld bezeichnen wir
Beim Horten wird die
Fließgeschwindigkeit am Geldkonto zu Null. Es kommt dabei zu keiner Verringerung
der Giralgeldmenge, jedoch zu einem Inaktiv-werden eines Teiles
davon.
Anmerkung:
4. Für Österreich beträgt die Geldmenge M3
(Geld plus geldvermögen) beträgt für 1997/98/99 : 127,8 / 131, 9 / 138,0 Mrd. Euro; davon die Geldmenge M1
(Bargeld plus tägl. fällige Guthaben): 46,9 / 51,3 / 55,8 Mrd. Euro. Aus:
Geschäftsbericht der Österr. Nationalbank 1999, Tab.
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