Nochmals: Wenn wir davon
ausgehen, dass das Wirtschaftswachstum mit den dazu gehörigen
Netto-Investitionen nicht genügend groß ist, dann kann eine aktive
Konjunkturpolitik nicht auf Finanzierungsüberschüsse, auf Krediten aus
Ersparnissen, zurückgreifen. Es sind neue, zusätzliche Kredite aus dem Nichts zu
schöpfen, um dem Staat das Geld für eine aktive Konjunkturpolitik zur Verfügung
stellen zu können.
Sie werden heute von den
Geschäftsbanken gechöpft.Für diese aber sind von den Geschäftsbanken auch keine
Habenzinsen zu zahlen, wie wir bereits dargestellt haben.
So stellt sich nun die Frage, warum diese Kredite nicht dem
Staat von der Zentralbank gegeben werden. Diese liefert ja dann die Zinserträge
wieder mehrheitlich an den Staat ab, so dass die Kredite so in etwa zinslos
wären – gewissermaßen eine ewiger Kredit ohne Zinsbelastung, praktisch eine Art
Schenkung.
Insoweit bringt das
Vollgeld-System nicht mehr. Wohl können diese Kredite nur von der Zentralbank
kommen. Und werden dafür verrechnete Zinsen von dieser mehrheitlich wieder an
den Staat abgeführt. Warum aber
trotzdem Vollgeld, hängt eng mit der Frage der Kontrolle der Geldmenge zusammen,
auf die wir weiter unten eingehen werden.
Vorerst stellt sich die
Frage: Warum überhaupt Zinsen, warum überhaupt Kredit, warum nicht gleich
Schenkung? Die Zentralbank ist ja dieses Geld niemanden schuldig, da es mit dem
Kredit aus dem Nichts geschöpft wurde? (14)
Mit dem Staat als Schuldner
gibt es ja keine besonderen Bankenkosten, die zur Prüfung dessen Bonität
anfallen, ist doch der Staat ein infallibler Schuldner, also einer, der
praktisch nicht in den Konkurs gehen kann. Und tut er es trotzdem, bricht mit
ihm das ganze Gebäude des Rechtsstaates und damit der Kredite und des Geldes
zusammen. Wer anders vermeint, glaubt
an weiland Münchhausen, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf
zieht.
Und wenn es schon Gläubiger
gibt, dann sind es nicht irgendwelche Geldvermögensbesitzer, denen die
Forderungen gegen den Schuldner „Staat“ zukommen, sondern sind es die
Lohnabhängigen. So sagt Joan Robinson: "Der Überschuss der Einnahmen aus dem
Verkauf von Konsumgütern über deren Lohnsumme ist gleich der Lohnsumme im
Investitionssektor. Die Gewinnspanne beim Verkauf der Konsumgütern hindert
die Arbeiter daran, ihr gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und
ermöglicht den Arbeitern im Investitionssektor, am Konsum teilzuhaben. Je größer
der Investitionssektor ist, desto höher sind die Gewinnspannen und desto
niedriger ist das Reallohniveau.“ (15)
Mit dem zusätzlich
geschaffenen Geld werden zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Lohneinkommen
geschaffen, die gleichfalls nach den bereits fertigen Konsumgütern Nachfrage halten. Die Arbeiter im
Konsumgüterbereich müssen also mit ihren Kollegen im Investbereich teilen. Das
Reallohnniveau sinkt damit, aber das Gesamteinkommen insgesamt steigt. Den
Konsumgüterproduzenten aber ermöglicht das vergrößerte Nachfragevolumen zudem,
einen Überschuss aus dem Verkauf ihrer Güter zu erzielen, d.h. Gewinne zu
schreiben.
So wird nun
vorgeschlagen:
1.
Die vom Staat betriebene aktiven
Konjunkturpolitik wird nicht mehr über verzinslichen Krediten finanziert,
sondern mit Schenkungen von Geld seitens der
Zentralbank.
2.
Über die Höhe dieser
Schenkung entscheidet allein die Zentralbank. Sie ist so auszulegen, dass dabei
die Kaufkraft des Geldes weder sinkt noch steigt.
Diese aktive
Konjunkturpolitik über Schenkung von Geld an den Staat an Stelle von
verzinslichen Krediten setzt nun durch die fehlenden Zinszahlungen ein gewisses
Selbstregulativ hinsichtlich der Höhe des zusätzlich aufgenommenen Geldes außer
Kraft. Befürchtungen, dass damit einer zügellosen Ingangsetzung der
„Notenpresse“ Tür und Tor geöffnet werden, bestehen. Um diese Befürchtungen zu
zerstreuen, ist nach anderen Möglichkeiten einer strengen Kontrolle zu suchen
(16)
Joseph Huber schlägt dazu
vor, die Zentralbank als vierte Gewalt im Staat – neben Legislative, Exekutive
und unabhängiger Gerichtsbarkeit – weiter auszubauen und wie letztere strenge
Unabhängigkeit genießt, aber voll verantwortlich ist für die Konstanthaltung der
Kaufkraft des Geldes. Das heißt: Sie muss die Geldmenge so steuern, dass weder
Inflation noch Deflation des Geldwertes eintreten.
3.
Die Zentralbank wird als
streng unabhängige staatliche Institution eingerichtet, mit dem Recht, allein
Geld zu schaffen, die Kontrolle der Kaufkraft des Geldes auszuüben und die dazu
befugt ist, in Verfolgung dieser Aufgabe dem Staat Geld in Form von Schenkungen
zuzuschießen bzw. als Einbehalt zurückzufordern. (17)
Die Schenkung dient zur Vermeidung von Deflation. Es
versteht sich, dass zur Vermeidung einer Inflation die Zentralbank auch das
Recht und die Macht haben muss, beim Staat Geld aus Steuereinnahmen
einzubehalten.
Über die
Teilhabe des Staates am Sozialprodukts über Tauschgeld
Der Vorschlag einer
Schenkung von Geld an Stelle der Kreditaufnahme durch den Staat wurde bisher aus
konjunkturpolitischer Sicht besprochen. Wir können den Vorschlag aber auch als
ersten Schritt zur – zumindest teilweisen – Einführung eines Tausch-oder
Kaufgeldes sehen, also eines Geldes, das nicht über Kredite entsteht.
Der Staat finanziert sich
derzeit über Steuern und Abgaben, die allesamt die Unternehmen als Aufschläge
auf ihre Herstellkosten einrechnen und so wie diese vorfinanzieren müssen.
Letzten Endes werden damit die Herstellkosten der Konsumwaren – und damit deren
Preise dementsprechend erhöht. Dies führt dazu, dass die Arbeiter im
Konsumgütersektor ihr Produkt nicht mehr allein kaufen können, sondern mit all
denen teilen müssen, die dann über diese Steuern und Abgaben ihre Geldeinkünfte
erhalten.
Eine Frage stellt sich
jedoch hier: Warum wird das so kompliziert gemacht? Warum muss nicht nur die
zukünftige Produktion und der Handel, sondern auch jener Sektor der
Gesellschaft, der seine Leistungen nicht über den Markt einbringt, sondern in
Form der Leistungen des Rechts-, Bildungs- und Infrastrukturstaates schon
eingebracht hat, und unverzichtbare Voraussetzung für das Funktionieren des
Marktbereiches ist – warum also muss die Finanzierung dieses Sektos auch über
Kredite erfolgen? Hier geht es nicht mehr um einen erst in Zukunft zu
erwartenden Erfolg, also um Kredit. Die über Kredite finanzierte, noch
den Erfolg suchende Produktion steht bereits auf diesem Fundament, das nicht
erst über einen kreditfinanzierten Vorgang hergestellt werden
muss.
Anders gefragt: Warum können
der Staat und seine Institutionen nicht auch – aber nicht ausschließlich
– direkt auf einen Teil des Sozialproduktes zugreifen, wozu ihm von der
Zentralbank in streng kontrolliertem Ausmaß Geld in Form einer Schenkung zur
Verfügung gestellt wird, womit er dann Leistungen und Produkte zukaufen kann?
Warum muss ein Unternehmen zuerst Kredite aufnehmen, damit es seine Steuern
bezahlen kann, damit dann mit diesen der Staat dem Unternehmen wiederum einen
Teil seiner Leistungen abkaufen kann? Um so seine Schulden wieder zu tilgen,
darüberhinaus aber auch noch Zinsen zu zahlen.
Sicherlich ist zu bedenken,
dass die Kreditverpflichtungen die Unternehmen zu einer rentable Produktion
verkaufbarer Waren verpflichtet. Auch die Kreditverpflichtung, die hinter den
Steuern und Abgaben steht. Sicher kann auf diese Motorik nicht verzichtet
werden. Aber es stellt sich schon die Frage, ob alles diesem Motor überlassen,
ob der Antrieb so stark sein muss. Es stellt sich also die Frage, ob nicht ein
Teil der Produktion mit Tauschgeld statt mit Kreditgeld gekauft werden könnte.
Also mit Geld, das der Staat direkt von der Zentralbank bezieht. Nicht als
Kredit. Sondern als Kaufgeld. Die vorhandene Geldmenge wäre dann nicht mehr
allein von der Investitionsbereitschaft der Unternehmen abhängig, sondern würde
auch mitbestimmt von einem über direkte Käufe in die Wirtschaft gekommenen Geld.
(18)
Auf diese Weise begleichen
die Unternehmen gewissermaßen einen Teil der Steuern in Natura, erhalten dafür
aber Geld, das sie in die Lage versetzt, ihre in der Vergangenheit eingegangenen
Kredite zu tilgen und einen, das unternehmerische Überleben sichernden Gewinn zu
machen.
Mit diesem, auf das
Preisniveau bedachten lateralen Zugriff des Staates scheint eine
Aufrechterhaltung der Motorik der Kredit- und Geldwirtschaft auch bei mangelndem
oder gar Nullwachtum möglich.
Gehen wir beispielhaft davon
aus, dass die Lohnsummensteuer abgeschafft wird, was vor allem den
arbeitsintensiven Unternehmen zu Gute kommt, wobei der Ertrag dieser Steuer
durch ein Geldschenkung an die
damit bedachte Gebietskörperschaft ersetzt wird. Die Unternehmen können
jetzt mit geringeren Kosten erzeugen, wodurch die von den Unternehmen
aufzunehmenden Kredite – die aus dem Nichts geschöpft werden – sinken können.
Die Neuverschuldung der Unternehmen beginnt also zu sinken. Die Nachfrage nach
den bereits fertigen Gütern wird aber ob des zusätzlichen Geldes aus der
Schenkung gleich hoch wie früher bleiben, so dass die Unternehmen in etwa zu den
alten Preisen verkaufen können, die so nun
weiter über ihren Gestehungskosten
liegen. Damit tritt nun keine Inflation ein, sondern erhalten die
Unternehmer weiterhin jene Einnahmen, mit denen sie ihre alten Kredite samt
Zinsen tilgen können. Und grosso modo auch noch einen Gewinn schreiben
können.
Damit aber wird nun
erreicht, dass die alten Schulden der Unternehmen nicht mehr mit höheren neuen Schulden getilgt
werden müssen, sondern dass die Neuverschuldung im Vergleich zur Altverschuldung
nun auch sinken kann.
Damit ergibt sich folgende
Einsicht
1.
Die Kreditwirtschaft hat
die Entwicklung der hochproduktiven industriellen Gütererzeugung unterstützt
oder sogar erst ermöglicht, so dass heute in der Realwirtschaft kein Mangel an
Produkten, sondern nur an Geld besteht.
2.
Das Produkt der Arbeiter
im Konsumgüterbereich wird derzeit über
Steuern und Abgaben, welche die Unternehmen über Kredite finanzieren, auf
alle Menschen einer Volkswirtschaft verteilt.
3.
Damit aber wird auch die
eher statische, bereits vorhandene Infrastruktur des Staates mit in die Dynamik
der kreditfinanzierten industriellen Produktion hineingezwungen und die
Notwendigkeit von wirtschaftlichem Wachstum noch weiter angeheizt.
4.
Hier wird nun
vorgeschlagen, teilweise an Stelle von Steuern das für diese Verteilung
notwendige Geld dem Staat in kleinen Schritten direkt von der Zentralbank zur
Verfügung zu stellen.
5.
Die Kreditwirtschaft mit
ihrer Motorik bleibt für die eigentliche Produktion weiter aufrecht, doch ist
die geldversorgung nun aber nicht mehr so sehr von der Investitionsbereitschaft
der Unternehmen, also vom Wirtschaftswachtum, abhängig.
An dieser Stelle sei an Karl
Marx erinnert, der meint,
„die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her? Sondern: Wo kommt das
Geld her, um den Mehrwert zu versilbern? [...] Das in Form von Geldkapital
vorgeschoßne zirkulierende Kapital von 500 Pfd. St. [...] sei das zirkulierende
Gesamtkapital der Gesellschaft. Der Mehrwert sei 100 Pfd St. Wie kann nun
die ganze Kapitalistenklasse
beständig 600 Pfd. St. aus der
Zirkulation herausziehn, wenn sie beständig nur 500 Pfd. St. hineinwirft?“
Und er antwortet etwas weiter unten: „In der Tat, so paradox es auf den
ersten Blick scheint, die Kapitalistenklasse selbst wirft das Geld in
Zirkulation, das zur Realisierung des in den Waren steckenden Mehrwertes dient.
Aber nota bene: sie wirft es hinein nicht als vorgeschoßnes Geld, also nicht als
Kapital. Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuellen
Konsumtion.“ (Karl Marx, Das Kapital II, S. 330/331 ff)
Nun ist es allerdings nicht
die Kapitalistenklasse, die jenes Geld als Kaufmittel für individuelle
Konsumtion „hineinwirft“, sondern der Staat bzw. seine Bürger. Sie konsumieren,
während die Unternehmer den monetären Mehrwert kassieren, mit dem sie ihre
Schulden samt Zinsen bei den Geschäftsbanken tilgen können. Damit Schulden, aber
vice versa Vermögen
abbauen.
14. Die Bedeutung dieses Vorschlages
wird am Bundesbudget der Republik Österreich verdeutlicht: Budget 2000 zwischen
700 und 800 Mrd. ATS. Die Bundesschuld (ohne Länder, Gemeinden,
Sonderfinanzierungsgesellschaften) liegt bei 1650 Mrd. ATS. Von diesen wurden
seit Mitte der 70-iger Jahre etwa 1000 Mrd. ATS für Zinszahlungen (vor Steuer)
verwendet, der Rest zur Subventionierung der Gewinne (und Förderung der
Arbeitsplätze). Der jährliche Zinsaufwand liegt 2001 bei 100 Mrd. ATS. Dieses
Geld könnte bei Vollgeld-Schenkung für soziale und ökologische Ziele ausgegeben
werden.
15. Joan Robinson, Über Keynes hinaus, S.99,
Europaverlag, 1962
16. Diese Kontrolle ist bei dem seinerzeit ventilierten
Vorschlag einer Zentralbankfinanzierung des Budgetdefizits nicht möglich, können
doch die Geschäftsbanken weiterhin Geld schaffen und
vernichten.
17. Solches schlägt Silvio Gesell bereits mit seinem
Reichswährungsamt vor. Siehe dazu S. Gesell, Die natürliche Wirtschaftsordnung
bzw. Das Reichswährungsamt.
18. Silvio Gesell schreibt: Der zweite Widerspruch
(der Emissionsreform von Flürschein) liegt darin, daß der Staat das Geld bei der
Ausgabe selber nicht als Tauschmittel
benutzte, es also nicht gegen Waren, sondern gegen Wechsel, Pfandbriefe
oder sonstige Sicherheiten hergab. Und das Geld ist doch Tauschmittel, und als
solches durfte es nur gegen Waren ausgegeben werden.” (GW9, 330ff,
GW11, S. 202ff)